INTERNATIONAL

Das Schweizer Parlament - Geplanter WHO-Pandemievertrag

Eingereicht von:

FRIEDLI ESTHER

Fraktion der Schweizerischen Volkspartei SVP

Einreichungsdatum: 28.09.2023

Eingereicht im: Ständerat

Stand der Beratungen: Erledigt

Esther-Friedli

Es braucht mehr Informationen und Transparenz

EINGEREICHTER TEXT

Aktuell laufen die Verhandlungen zum geplanten WHO-Übereinkommen zur Pandemievorbereitung, -prävention und -bewältigung. Der Bundesrat hat sich in verschiedenen Vorstössen dazu bereits geäussert. Dokumente sind auf verschiedenen Websites abrufbar. Trotzdem ist es bis jetzt nicht gelungen, Licht ins Dunkel zu bringen und transparent aufzuzeigen, wie der Prozess abläuft, was die nächsten Schritte sind, wann sich das Parlament einbringen kann und welche Folgen dies für die Schweiz und ihre Gesundheitspolitik haben wird. 

Weiter ist unklar, inwieweit infolge des Vertrages zukünftig sogar verfassungsmässige Grundrechte tangiert sein könnten.

Vor diesem Hintergrund bitte ich den Bundesrat, folgende Fragen zu beantworten:

  1. Wie ist der aktuelle Stand und der Prozess der Verhandlungen zum geplanten WHO-Übereinkommen? Was sind die konkreten nächsten Schritte? 
  2. Wer leitet die Verhandlungsdelegation der Schweiz? Welche Stellen und Ämter werden dabei einbezogen?
  3. Wann liegt der erste verbindliche Entwurf des Übereinkommens vor? 
  4. In welchen Bereichen wird das Übereinkommen für die Schweiz verbindliche Vorgaben umfassen?
  5. Könnte die Schweiz infolge des Übereinkommens zukünftig noch souverän über die eigene Gesundheits – resp Pandemiepolitik entscheiden?
  6. Beinhaltet das Übereinkommen irgendwelche Vorgaben zur Einschränkung von verfassungsmässigen Grundrechten während einer Pandemie?
  7. Gibt es allfällige neue WHO-Institutionen oder Gremien, die mit diesem neuen Übereinkommen geschaffen werden?
  8. Welche Vorgaben wird das Übereinkommen in Bezug auf ein internationales Impfzertifikat beinhalten?
  9. Wer wird künftig gemäss diesem Vertrag eine internationale Pandemie ausrufen können?

STELLUNGNAHME DES BUNDESRATES VOM 22.11.2023

1 und 3. Für den Verhandlungsprozess hat die Weltgesundheitsversammlung (WHA) im Dezember 2021 ein zwischenstaatliches Verhandlungsgremium (Intergovernmental Negotiating Body, INB) eingesetzt, das ein Übereinkommen, ein Abkommen oder ein anderes internationales Instrument der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zur Pandemievorbereitung, -prävention und -bewältigung ausarbeiten und aushandeln soll. 

Dieses Gremium setzt sich aus allen Mitgliedstaaten der WHO zusammen. Das Büro des INB, dessen sechs Mitglieder alle WHO-Regionen vertreten, veröffentlichte im Februar 2023 einen Vorentwurf für den Text des künftigen Instruments, der an den ersten Sitzungen des INB im Frühling 2023 diskutiert wurde.

Auf der Grundlage der Diskussionen veröffentlichte das Büro dann im Mai 2023 einen Textvorschlag, der sämtliche eingereichten Vorschläge enthielt. Die Gespräche zum Text des Büros wurden im Sommer geführt. Ein neuer Text wurde am 16. Oktober vorgelegt, der nun einen ersten Verhandlungstext darstellt. Die Redaktionsgruppe des INB tagt weiterhin regelmässig. Das Mandat des Verhandlungsgremiums sieht vor, dass es seine Ergebnisse an der 77. WHA im Mai 2024 zur Prüfung vorlegt. 

2. Das Bundesamt für Gesundheit vertritt die Schweiz in den Verhandlungen, die im Rahmen der WHO stattfinden. Die Position der Schweiz zu den spezifischen inhaltlichen Elementen wird gemeinsam mit den in der Gesundheitsaussenpolitik (GAP) involvierten Bundesstellen erarbeitet und in den Verhandlungsprozess eingebracht.

4 und 5. Das INB kam überein, dass das künftige Instrument grundsätzlich rechtsverbindlich sein sollte, aber auch unverbindliche Elemente enthalten sollte. Nach Artikel 19 der WHO-Verfassung (SR 0.810.1) ist die WHA ermächtigt, Verträge oder Abkommen über jede innerhalb der Zuständigkeit der WHO liegende Frage anzunehmen. Für die Annahme derartiger Verträge oder Abkommen ist die Zweidrittelmehrheit der Versammlung nötig. Sie treten für jeden Mitgliedstaat in Kraft, wenn er sie in Übereinstimmung mit seinen verfassungsrechtlichen Bestimmungen genehmigt hat. 

Als souveränem Mitgliedstaat steht es der Schweiz somit frei, ein allfälliges neues Übereinkommen, Abkommen oder anderes Instrument zu unterzeichnen und zu ratifizieren. Erst nach Abschluss der Verhandlungen, wenn der endgültige Inhalt vorliegt, werden Rechtsnatur und Art des Instruments mit Gewissheit feststehen und wird die Schweiz nach den geltenden nationalen Verfahren entscheiden, ob sie sich daran binden möchte.

Der neue Vertrag wird sich nicht auf das souveräne Recht der Staaten auswirken, Gesetze zur Umsetzung ihrer nationalen Gesundheitspolitik zu erlassen (wie es auch in den allgemeinen Grundsätzen in Art. 3 des Textentwurfs des Büros ausdrücklich festgehalten ist). Die Schweiz wird auch in Zukunft souverän über die eigene Gesundheitspolitik sowie über allfällige Massnahmen im Pandemiefall entscheiden.

6. Die Grundrechte sind in der Schweiz durch die Bundesverfassung (SR 101) und das Völkerrecht, insbesondere die Europäische Menschenrechtskonvention, jederzeit geschützt. Die Schweiz schliesst keine Staatsverträge ab, die gegen diese Grundrechte verstossen würden. Die Grundrechte sind auch bei der Anwendung von Staatsverträgen zu beachten und die grundrechtsverträgliche Umsetzung von direkt anwendbaren Bestimmungen von Staatsverträgen steht unter der Kontrolle der schweizerischen Gerichte.

7. Es ist in den laufenden Diskussionen nicht vorgesehen, dass durch das Übereinkommen neue WHO-Institutionen geschaffen werden. Der Text des Büros beinhaltet die Einsetzung übereinkommensspezifischer Überwachungsgremien, insbesondere einer Konferenz der Vertragsparteien (Art. 20), die aus Delegierten der Vertragsparteien des künftigen internationalen Instruments besteht. Diese Konferenz hätte die Aufgabe, den Umsetzungsstand des künftigen internationalen Instruments regelmässig zu prüfen und die notwendigen Entscheidungen zur Förderung einer effizienten Umsetzung zu treffen.

8. Es ist in den laufenden Diskussionen nicht vorgesehen, dass es im Übereinkommen Vorgaben in Bezug auf internationale Impfzertifikate geben soll. Die Vorgaben für das internationale Impfzertifikat sind im bereits geltenden Art. 36 sowie Annex 6/7 der Internationalen Gesundheitsvorschriften (2005) (IGV; SR 0.818.103) der WHO aufgeführt.

9. Aktuell gibt es keine universell anerkannte Definition einer Pandemie. Die Ausrufung einer übertragbare Krankheit als Pandemie durch die WHO folgt den Kriterien einer «gesundheitlichen Notlage von internationaler Tragweite» welche durch die IGV geregelt sind (Art. 12 Abs. 4). Es ist zu beachten, dass gemäss Epidemiengesetz (EpG; SR 818.101) die Feststellung einer gesundheitlichen Notlage von internationaler Tragweite durch die WHO nicht automatisch das Vorliegen einer besonderen Lage in der Schweiz zur Folge hat, sondern es braucht dazu auch immer eine Beurteilung der Gefährdungssituation in der Schweiz.

Der Bundesrat beurteilt die Situation gemäss den Kriterien in Art. 6 EpG, die das Vorliegen einer «besonderen Lage» definieren. Die Schweiz wird diese, im EpG vorgesehene Beurteilung, auch in Zukunft selbstständig durchführen und souverän über die eigene Gesundheitspolitik entscheiden.

CHRONOLOGIE

  • 21.12.2023 Diskussion

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